Klaus Wolschner               Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

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I
Medien-
Geschichte

Mode als europäisches Medienereignis

 Das „Journal des Luxus und der Moden“ (1786-1827)

5-2012

Im Frühjahr 1786 hat der Weimarer Freimaurer und Universalgelehrte Friedrich Justin Bertuch nach französischem Vorbild das deutschsprachige „Journal des Luxus und der Moden“ (JLM) gegründet- eine monatlich erscheinende Zeitschrift, jeweils 30 Seiten umfassend. Die Zeitschrift richtete sich an Damen, warb für künstliche Blumen und andere Glück bringende Accessoirs und sie nutzte intensiv die Illustrationstechniken der Zeit - dem Heft waren handkolorierte oder schwarz-weiße Kupferstiche beigefügt.

1789, im Jahr der Französischen Revolution, druckte das JLM ganz aktuelle Berichte aus Paris:
„Paris, den 29sten Julius 1789. Bey den stürmischen und blutigen Auftritten, die wir hier seit 14 Tagen erlebt haben, ruht alles was Geist der Mode heißt... Die Trauer über den Todt des Dauphins, die den vorigen Monat für Modesüchtler so trocken machte, ist also in diesen Monat durch die große politische Gährung ersezt... Und in weniger als zwey Stunden, waren die schwarzen Fracks, und Karako‘s alle verschwunden, und an allen Hüthen flatterten grüne Kokarden, die aber, weil dies die Farbe des Grafen von Artois war, den andern Tag mit hellblau, rosa und weiß vertauscht wurden...“

Oder:
„Paris, den 30sten August 1789. Es ist kaum glaublich was für eine totale Veränderung in den Grundsätzen und dem Wesen der sonst so frivolen Pariser vorgegangen ist. Ein Beweis davon, kann der Umstand seyn, daß ich seit der Eroberung der Bastille, keine neue Frisur, keinen neuen Huth, kein neues Bonnet ... bemerkt habe. Man glaubt sich von Grunde aus geputzt, wenn man die National-Kokarde am Huthe, vor der Brust, oder am Bonnet trägt... Die Modenhändler sind ihrem Ruine nahe, und die Putzmacherinnen mischen sich schon unter die Filles des Palais-Royal unter denen sie leicht zu erkennen sind; dies ist eine große Erniedrigung für sie, denn bis jezt rangirten sie gleich nach den Entréténues und sie hatten unter den Kreaturen, die keine Ehre mehr haben, immer noch einen ehrlichen Platz ...“ Die französischen „speculirenden Nippes-Fabrikanten haben aus den grauen Mauersteinen der niedergerißnen Bastille, Ringsteine und dergleichen schleifen und als Juwelen faßen lassen, und so trägt man jezt Ringe und Ohrenringe à la Liberté nationale; Rockknöpfe, Fächer und Dosen à la Bastille...“

1 Freiheitsfächer dame mit trikoloreSchon im September 1789 hatte das JLM die neueste Pariser Fächer-Mode präsentiert:

„Paris, den 10ten August 1789. Das erste und neueste Opfer, das die Göttin Mode der National-Freyheit gebracht hat, ist ein neuer National-Freyheits-Fächer, den seit gestern eine hiesige spekulirende Fächer-Fabrick geliefert, und wie man mich versichert schon ihren ganzen Vorrath davon verkauft hat. Er ist, wie Sie leicht denken können aus den drey neuen National-Farben, blau, roth und weiß komponirt, und recht artig erfunden...“

 

In jener Zeit, in der sogar in den Städten noch ein Viertel der Menschen Analphabeten waren, spielten Symbole eine noch größere kommunikative Rolle als heute – dazu gehörten Kleidungsstücke, Stoffe und Accessoires. Kleidungsfragen sind Status-Fragen und können als Gesinnungs-Zeichen interpretiert werden, waren also durchaus politisch. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dominierte das höfische Vorbild, die Diskussion, die Mode des JLM setzte sich kritisch mit dem aristokratischem Geschmack auseinander. Die Zeitschrift mischte Informationen und Empfehlungen zu Bekleidung und Mode bunt mit Texten zu Kunst, Literatur, Theater, Architektur, Musik, Gartenkunst, und Bäderwesen. Nur Kochrezepte finden sich im JLM nicht –  die Adressatinnen waren offenbar Damen, die kochen ließen.

Bertuch war als 1775 Geheimer Sekretär des Herzogs in den Staatsdienst eingetreten. 1782 gründete er eine Fabrik für künstliche Blumen, 1785 die  Allgemeine Literatur-Zeitung (später Neue Jena’sche Allgemeine Literaturzeitung). Zwischen 1790 und 1830 veröffentlichte Bertuch ein 12-bändiges Bilderbuch für Kinder - ein monatlich erscheinendes, stark bebildertes Unterrichtswerk, das das Wissen seiner Zeit für Kinder aufbereitete.
Bertuchs Mode-Journal unterstützte konsequent ein aufklärerisches Konzept: Ihr Anliegen war die Vermittlung des bürgerlichen Wertesystems und insbesondere eines bürgerlichen Geschmacks. Das scheint auch das Erfolgsgeheimnis der Zeitschrift gewesen zu sein. Sie erschien bis zum Jahre 1827 und wurde zum Vorbild für andere Gründungen.

Dabei war das JLM selbst eine Kopie des ein Jahr zuvor, am 15. November 1785 erstmals erschienen französischen Modejournals Cabinet des Modes.  In Weimar, wurde die Idee aufgegriffen, in Lüttich geradezu kopiert, aber ein europaweit geltendes Urheberrecht gab es nicht. Johann Wolfgang Goethe nannte Bertuch spöttisch den „größten Virtuosen im Aneignen fremder Federn".

In den Revolutionsjahren wurde in der französischen Modezeitschrift die Tagespolitik durch Modevorschläge vermarktet. Das JLM diskutierte die Frage der Übernahme. Im August 1789 empfahl das JLM ein dezenteres Weiß-Rosa oder eine graubraune Farbtönung als „Couleur de Bastille", das in Frankreich gerade aktuelle Blau-Weiß-Rot wurde als hart und geschmacklos empfunden. Ein Kleidermodell „a l´égalite" wurde in Weimar „a la républicaine" getauft.  Als die Pariser 1793 kein Modejournal mehr hatten, schrieb das JLM, Frankreich sei ein armes Land, „das alle Reichthümer und Gaben der Natur hatte, und noch haben könnte, wann nicht Wahnsinn seine Bewohner auf lange Zeit elend machte; wie glücklich schätze ich mich jetzt, dass ich dir nicht angehöre.“

Die Idee von Modezeitungen verbreitete sich in ganz Europa mit manchmal grenzüberschreitendem Verkaufs-Interesse.  Das Leipziger Archiv weiblicher Hauptkenntnisse (1787-1790) und das Straßburger Magazin für Frauenzimmer (aus den Jahren (1785/86) kopieren Bilder der Pariser Zeitschrift. In Frankfurt wurde eine französischsprachige Ausgabe eines Journal des Dames et des Modes (1798 bis 1848) auf dem Markt gebracht. In Sankt Petersburg wurde eine Nouvelle Bibliothèque des Dames (1810-1818) verbreitet, in New York im Jahre 1810 ein Journal des Dames. Varietés litteraires ou es Souvenirs d'un vieillard.  

JDM 1799 Costumes parisiennes - griechisch, roter SchalDas Jornal des Dames zeigte 1799
Costumes parisiennes”:
griechisches Gewand,
roter SchalJournal des Dames et des Modes 1819

 

Selbst im Jahre 1819
präsentierte sich das Journal
noch nicht mit einem
Bild auf der Titelseite

 

 

 

 

 

 


In Frankreich selber erschienen nach 1818 (nach faktisch 18-jähriger Alleinherrschaft des Journal des Dames et des Modes) vier weitere Titel. Das Album des Modes et Nouveautés   schickte seinen Lesern mit der Lieferung künstliche Blumen ins Haus, die parfümiert waren, weshalb die Zeitschrift ab der zweiten Ausgabe Le Bouquet hieß. 

Ab dem Jahr kam es dann zu einer deutlichen Zunahme an Titeln, allein in Frankreich gab es dreißig.  Im Journal des Dames et des Modes, herausgegeben von  dem ehemaligen Geistlichen Pierre de La Mesang ère,  erschienen in den Jahren 1819 bis 1822 Texte von Balzac unter Pseudonym. In seinem Roman Verlorene Illusionen  beschreibt Balzac einen Autor, der in seiner Jugend für eine Modezeitschrift gearbeitet hat.

    Literatur:
    Angela Borchert, Ralf Dressel: Das Journal des Luxus und der Moden, Kultur um 1800 (Heidelberg 2004)

 siehe auch die Texte zu:

    Illustrierte II:  Die Gartenlaube   M-G-Link

    Panorama - Die Sehnsucht nach virtuellen Welten  M-G-Link