Daten zur Bremer Zeitungsgeschichte

11-2005
Quelle: Holger Böning/Astrid Blome, Täglich neu,
400 Jahre Zeitungen in Bremen

Zur Einordnung: 1650 erschein in Leipzig, einem Handelspunkt, Kreuzungspunkt für Postlinien und daher Umschlagspunkt für Nachrichten, die erste Tageszeitung der Welt: "Einkommende Zeitungen". Im Laufe des 17. Jahrhunderts gab es in 70 deutschen Städten Wochenblätter. Ihre Auflage überstieg selten  300 Exemplare, sie wurden auf öffentlichen Plätzen oder in den Familien vorgelesen. Sie boten  unkommentierte Informationen. 

1743. Bremer Wöchentliche Zeitung, Format 18x22 cm
  
es erschienen nur wenige Exemplare,
   berichtete über ankommende Schiffe und deren Ladung

1753. Bremer Wöchentliche Nachrichten
   
nüchtern und langweilig, Amts- und Gesetzesblatt. erscheinen bis 1853 durchgehend,
   danach als
Bremer Nachrichten, ab 1871 als Tageszeitung

1815. Carl Schünemann kommt aus Altona nach Bremen,
   gründete die „Neue Bremer Zeitung", wird bald verboten

Vormärz.  Die politischen Debatten des Vormärz finden sich nicht in den Bremer Wöchentliche Nachrichten. Die kurze demokratische Aufbruchzeit bis 1848 findet ihren Niederschlag in einem Aufblühen der Presse - Pressefreiheit findet in anderen Periodika statt:

Es erscheinen Kurzlebige Wochenblätter mit einem oder zwei Autoren.

1848

16. März 1848: „Trinktag", Nachrichten aus Frankreich

Es wird Freiheit der Presse gefordert - und durchgesetzt, Bürgerrechte auch für die Vorstadtbewohner, gleiche Rechte für alle Bremer Bürger

erstmals gibt es Berichte über den lokalen Streit in der Zeitung („Bürgerconvent")

März 1849. Demokratische Bremer Verfassung. Allgemeines gleiches Wahlrecht, Handwerker und Gewerbetreibende kommen in die Bürgerschaft

Rudolph Dulon (1807-1870), der Pastor der Liebfrauenkirche, wird politischer Agitator und 1850 nebenbei Redakteur der „Tages-Chronik", politische Tageszeitung
Am 19. Mai 1851 verbietet der Senat die politischen Vereine und schränkte die Pressefreiheit wieder ein.
Am 20. Mai 1851 letzte Ausgabe: Dulon wird politisch unter Druck gesetzt, die Tages-Chronik aufzugeben, und von der Kirche geschasst, 1852 Emigration

1852: Achtklassenwahlrecht

Entstehen der Massenpresse im 19. Jahrhundert

1844 wird „Weser Zeitung" gegründet, ein politisch-merkantiles Abendblatt, "Handelsnachrichten Redakteur Otto Gildemeister

1850 5.000 Stück (60.000 Bremer Bevölkerung), erscheint ab 1854 zwei Mal täglich, 1879 sogar täglich drei Mal

Bremer Courier 1865: Auflage 5.000

1870 gehen die „Bremer Nachrichten" in den Besitz von Schünemann über. Darin gibt es seit 1881 Berichte über Städtische Angelegenheiten, für Mittelstand und kleinbürgerliche Schichten

Monopol auf Erstabdruck der Amtlichen Bekanntmachungen

1875: Auflage der Bremer Nachrichten 10.500

Daneben bestehen Weser Zeitung, Courier an der Weser und Bremer Bürgerzeitung,
   
sind aber wegen ihrer geringen Auflage keine Konkurrenz

Bremer Tageblatt versteht sich als als „General-Anzeiger"

Trends im späten 19. Jahrhundert: 
1872/1873 wird in Augsburg die erste Rotationsmaschine gebaut und der geniale Erfinder Ottmar Mergenthaler entwickelt die Schriftsetzmaschine "Linotype" - das Zeitalter der vielfältigen Reproduzierbarkeit hat begonnen und damit der Kampf um den Leser.
1872 wird das Berliner Tageblatt vom Berliner Verleger Rudolf Mosse gegründet. 1874 wird die Pressefreiheit im Reichspressegesetz endgültig verankert (in England schon 1695!). 

Das Ringen um Pressefreiheit dauerte Jahrzehnte. Im Jahr 1864 haben in Berlin 175 Prozesse gegen die Presse stattgefunden, nachdem Reichskanzler Otto von Bismarck mit seiner Absicht, unliebsame Zeitungen nach zweimaliger Verwarnung zu verbieten, am Widerstand des Parlaments gescheitert waren. 1874 löst das Reichspressegesetz 27 Landespressegesetze ab - erstmals wird damit eine einheitliche, gesetzliche Pressefreiheit in Deutschland garantiert. Mit den Sozialistengesetzen kam 1878 der Rückschlag: Der Reichskanzler verbietet sozialdemokratische Zeitungen auf Grundlage von Notstandsbestimmungen. 

Im 19. Jahrhundert entwickelt sich neben der Partei- -und Gesinnungspresse eine Massenpresse. Ende des 19. Jahrhunderts entstehen die großen Pressekonzerne: Mosse. Ullstein-Verlag und Scherl.

1913: Bremer Bevölkerung 250.000 -  Bremer Nachrichten 50.000 Auflage

Daneben bestanden Weser-Zeitung und Courier

Bremer Bürger-Zeitung (sozialdemokratisch, seit 1897, 1914: 20.000 Auflage)

Der Bremer General-Anzeiger (1894) entwickelt das Modell einer modernen Zeitung: politisch ungebunden, vielseitig, mit großem Lokalteil, viel Unterhaltung, geringem Preis, Anzeigen. Zeitweise hat über 40.000 Auflage
1899 mit dem „Bremer Tageblatt" (seit 1897) verschmolzen.
Zeitweise auflagenstärkste Bremer Zeitung, schluckt 1906 den Courier, bis 1920
Begründung: Not. „früher manche Familien zwei oder drei Blätter gehalten"

Exkurs über die Arbeiterpresse in Bremen

1848 erscheint die „Bremer Arbeiterzeitung"
„Vereinigung. Zeitung für sämtliche Arbeiter", 1849 verboten wegen
„Aufreizungen der Nichtbesitzenden gegen die Besitzenden"
1876 Bremer Freie Zeitung (Wilhelm Frick aus Elberfeld) wurde 1878 im Kontext der Sozialistengesetze „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", verboten
Bremische Volkszeitung - verboten
1890 fiel das Sozialistengesetz: Die neu entstehende Bremer Bürger-Zeitung hatte sofort 4000 Abonnenten (bei 12.000 SPD-Wählern)
1913: 20.000 Abonnenten. unter den Redakteuren: Friedrich Ebert, (1894 Sohn Ebert geboren, DDR-Bürgermeister von Berlin!)
1922 Redakteur Wilhelm Kaisen, der stellt Hans Hackmack einstellte
     – Presse als Rekrutierfeld für Politik!
Januar 1916: Rechte SPD-Minderheit „Bremische Correspondenz"
Juni 1916: Friedrich Ebert und Otto Wels schmeißten Johann Knef raus,
     Chef wird Hans Donath.
1919 übernahmen die Linksradikalen die Bremer Bürger-Zeitung wieder
1919: Bremer Volksblatt als MSPD-BIatt
1922: Vereinigung von USPD und MSPD, Bremer Volkszeitung
Daneben: Der Kommunist, Arbeiterzeitung, verboten 1933
      (wieder verboten 1956!)
1933 besetzte die NSDAP das Druckgebäude Geeren 6 und produzierte hier die Bremer Nationalsozialistische Zeitung
1955: Bremer Bürger-Zeitung (Moritz Thape), bis 1974
1974: Schmalfeldt gibt Stadtteil-BBZ heraus. Daraus entsteht „Bremer Anzeiger“
1976 wieder Bremer Bürger-Zeitung als mtl. Mitgliederzeitung der SPD, Egon Kähler und Henning Schert: „Wir Sozialdemokraten haben viel zu oft nur über Presse geredet und uns beim Selbermachen blamiert." (1977)

Während des Ersten Weltkrieges wird die Pressefreiheit aufgehoben und
durch eine strenge Militärzensur ersetzt.

1916 Alfred Hugenberg gründet den ersten Zeitungskonzern, und schafft durch den Kauf des Scherl-Verlags und der Ufa 1927 den ersten Medienkonzern.

Die Weimarer Republik gewährleistete in ihrer Reichsverfassung 1919 zwar die Meinungsfreiheit als Individualrecht, enthielt aber nicht zur Pressefreiheit.

Zeitungen in den 20-er Jahren

Die große Zeit der Zeitungen war vor der Erfindung des Radios, als Verlagsobjekte aus den Berliner Mosse-, Scherl- und Ullstein-Verlagen teilweise viermal am Tag erschienen: Morgenausgabe, Mittagsausgabe, Abendausgabe, Nachtausgabe. Die weltweit schnellsten Zeitungs-Rotationspressen standen damals an der Spree.
Die reiche Zeitungskultur der Zwanziger Jahre wurde neben den Neuen Medien Radio und Fernsehen in Deutschland auch durch Konzentrationsprozesse (Hugenberg-Konzern) und so genannte Arisierungen (Amann-Verlag) während der Zeit des Dritten Reiches ab- und aufgelöst.
Die Republikschutzgesetze von 1922 und 1930 sowie die Notverordnungen von 1931 und 1932 führen zu zahlreichen Zeitungsverboten. 1932 gibt es in Deutschland 4.702 Zeitungen. Auflage insgesamt 25 Millionen. 

1932 Lage in Bremen: Bevölkerung 300.000, Auflagen 120.000

Bremer Nachrichten werden konservativ. 70.000, Ende der 20er Jahre Rechtsruck
Daneben gab es  Bremer Volkszeitung (SPD) mit einer Auflage von 18.000
Bremer Zeitung Auflage 18.000
Weser Zeitung

1918 musste Schünemann die Weser Zeitung verkaufen, auf Druck der konservativen Wirtschaftskreise, sie wurde konservativ.

1929 kauft Schünemann sie zurück, die Weser Zeitung wird 1934 Beilage der Bremer Nachrichten)

1933 Arbeiter Zeitung und Bremer Volkszeitung verboten

März 1933: Bremer Nachrichten wollen „Politik der nationalen Regierung" unterstützen
Ende der Bremer Nachrichten 1944

Exkurs „Bremer Nacht-Post"
1923 „Bremer Nacht-Post, Parteilose Zeitung für rücksichtslose Kritik aller öffentlichen Angelegenheiten". Sex und Crime, politisch populistisch, aus Dresden, in vielen Städten
„Revue", 1927 aus einer KPD-Unternehmensgruppe gegründet:
Gerichtsberichte, Linksorientierung und Sensationsstil, Sympathie für die kleinen Leute, § 218.  Beliebte Themen sind Exhibionismus, Inzest, Homosexualität, Abtreibung, Zuhälterei, Prostitution
Kennzeichnend ist auch die scharfe Ablehnung der Rechten: Die „Nacht-Post“ warnt 1932 vor Rassenhetze und Judenfeindlichkeit: „nicht nur undeutsch und unchristlich, sondern auch unwürdig".
Hans Hackmack (Bremer Volks-Zeitung) verlangte den Ausschluss der „gewissenlosen Reporter" der Bremer Sensationspresse

Presse im Nationalsozialismus

1933 inhaltliche Gleichschaltung der Presse und starke Eingriffe in der zuvor allein von ökonomischen Kriterien getragenen Verlagsstruktur
Die Pressefreiheit wurde abgeschafft und die Medien in den Dienst des NS-Staates gestellt.

Die Bremer Nachrichten, auflagenstärkste Zeitung, wurde rechtskonservativ und kritisierte die NSDAP von rechts. Leitartikel vom 1.11.1932: „Der Nationalsozialismus hat eine völlige Umstellung vorgenommen: Ursprünglich national mehr als sozialistisch, antiparlamentarisch, mit dem Führerprinzip den Parlamentarismus und die Parteienenge verneinend, hat er sich jetzt der Politik der alten Parteien und ihrer Verfassung völlig verschrieben. Wenn Hitler die Millionen, die noch hinter ihm stehen und die etwas mehr als ein Drittel aller Wähler ausmachten, als die einzige Legitimation ansieht, alles zu fordern ... dann ist dieser Glaube an das Recht der Masse und die Rechtfertigung durch die Masse durchaus nicht unterschiedlich von früheren Illusionen des Marxismus, aber zugleich für die NSDAP ein Rückfall in das, was sie bisher bekämpfte, ... nämlich der demokratische Glaube an das mystische System der Mehrheit."
Schon 1934 wehrt sich Schünemann gegen Kritik der NSDAP mit dem Argument, der Verlag habe „sein ehrlich Teil dazu beigetragen, das nationalsozialistische Gedankegut in der Nordwest-Ecke unsere Vaterlandes ins Volk hineinzutragen und in ihm zu verankern."
1936 begeht Schünemann die 200-jährige Jubiläumsfeier der „Bremer Wöchentlichen Nachrichten" mit „Heil Hitler"
Herbst 1936 wird Schünemann zum Verkauf der BN an den Nazi-Verlag „Vera" gezwunge
1944 Senator Duckwitz: „Die Bremer Nachrichten mit einer Abonnentenzahl von 89.000 haben es unter ihrem Hauptschriftleiter Herrn Beck verstanden, sich das starke vertrauen gerade der Leser zu erobern, die bislang dem nationalsozialistischen Ideengut ferner standen. Die Aufgabe war für die Bremer Nachrichten, die Bremische Bevölkerung für die Nationalsozialistischen Ziele ... zu gewinnen... Es darf wohl gesagt werden, dass das im Ganzen gelungen ist."
27.7.1944: Schlagzeile BN „Totale Anstrengung aller verbürgt den Sieg"
1944 werden die Bremer Nachrichten von den Nazis eingestellt (Schäden an Druckmaschinen, Papierknappheit).
Die „Bremer Zeitung" der NSDAP bekommt die knappen Ressourcen und ist das einige Bremer Presseorgan.

1947, als es um die neue Lizenz ging, sollten die Anwälte Schünemanns behaupten, der Verlag habe „bis in die Nazizeit hinein Zeitungen herausgegeben, die ... einen betont demokratischen und fortschrittlichen Kurs steuerten".

Nachkriegspresse in Bremen

1945: Hans Hackmack bekommt von den Amerikanern die erste Lizenz für den Weser Kurier, anderthalb Bögen anfangs
Erst im September 1949 dürfen Bremer Nachrichten wieder erscheinen
Weser Kurier setzt sich durch mit Kleinanzeigen, Stellenmarkt, Familienanzeigen,  Abo-Preiskrieg
WK eher sozialdemokratisch orientiert
Bremer Nachrichten eher Schwachhausen (Riensberg), bürgerliches Publikum

1970: Weser Kurier 130.000 Auflage, BN 40.000

Im Juli 1974 kauft der Weser Kurier die BN auf. Dem vorausgegangen war eine faktische Abhängigkeit über einen hohen Kredit. Die Pressekonzentration wurde in durch die Bremer Politik als Abwehr des Spinger-Konzerns unterstützt!
„Damit ist der informationspolitische Entwicklungsstand des 17. Jahrhunderts wiederhergestellt" (Astrid Blome)

Bremer Medien heute

Bremen ist Sitz von Radio Bremen, der kleinsten Rundfunkanstalt der ARD. Radio Bremen produziert diverse Fernsehsendungen und betreibt drei Hörfunkwellen (eine davon gemeinsam mit dem NDR Hamburg). Als privates Pendant ist Energy Bremen in der Hansestadt mit einem Radioprogramm ansässig; zusätzlich gibt es im Sendegebiet die Radiosender Radio ffn und Hitradio Antenne mit lokalen Fenstern.

Beim Offenen Kanal “Weser-Radio” bzw. “Weser TV” können Bürger aus Bremen kostenlos eigene Radio- und TV-Sendungen gestalten.

Als Tageszeitung erscheinen der Weser-Kurier und die (schrittweise) identischen Bremer Nachrichten.

Mit eigenständigen Stadtausgaben erscheinen in Bremen außerdem die tageszeitung (taz) sowie die BILD-Zeitung (Axel Springer Verlag). Als größte gratis verteilte Anzeigenblätter erscheinen der Weser-Report, der Bremer Anzeiger und in Bremen-Nord das BLV.

Ferner sind alle großen Nachrichtenagenturen und die meisten großen Tageszeitungen Nordwestdeutschlands sowie zahlreiche Radiosender mit (freien) Korrespondenten oder Regionalredaktionen vertreten.

Schließlich erscheinen mehrere Stadtmagazine ('Bremer', 'Prinz', 'Mix' und andere).