Klaus Wolschner                     Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

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von Religion

 

 Das Kreuz des Konstantin

1-2014

Der römische Imperator Konstantin ist der eigentliche Gründer der christlichen Kirche:
Die Christen verdanken ihm nicht nur ihr Glaubensbekenntnis (Nicäa), sie machten auch sein imperiales Siegeszeichen „PX“ zu ihrem zentralen Symbol, dem Kreuz.

Aus den ersten beiden Jahrhunderten der frühen Christen-Gemeinden ist keine Verwendung des Kreuz-Symbols nachweisbar - das Symbol der Christen war der Fisch.

Das übereinander geschriebene XP-Zeichen ist erstmals im 4. Jahrhundert als Symbol der konstantinischen Herrschaftspropaganda überliefert. Nach der üblichen Überlieferung halfen Gottesbildnisse den Feldherren bei ihren blutigen Schlachten, es ging Konstantin um die alleinige Macht. Das römische Weltreich war unter vier Teilkaisern aufgeteilt, und an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms kämpften Ende Oktober 312 die zwei Herrscher der weströmischen Reichshälfte um die Macht. Konstantin siegte.

Staurogramm

Konstantins Staurogramm

Er ging bei seiner Machtpolitik über Leichen, auch über die seiner eigenen Familienangehörigen. 326 ließ Konstantin seinen mit der Konkubine Minervina vor der Hochzeit mit Fausta gezeugten Sohn Flavius Iulius Crispus umbringen und die Gattin Fausta, Mutter von drei Söhnen und zwei Töchtern, die gerade noch auf Münzen als spes rei publicae geprägt worden waren. Er ließ seinen Schwiegervater, Kaiser Maximian, 310 in Missilia (Marseille) erhängen und alle Statuen und Bilder, die ihn darstellten, vernichten; er ließ seine Schwäger Licinius und Bassanius, Gatten seiner Schwestern Konstantia und Anastasia, erwürgen; er ließ den Prinzen Licinianus, Sohn des Licinius, 336 zum Sklaven degradieren, auspeitschen und in Karthago totschlagen.“  Eine „Tragödie“, wertet das ökumenische Heiligenlexikon diese Morde.

Mit dem biblischen Liebesgebot und dem Jesus-Wort „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen" hat die Politik Konstantins jedenfalls nichts zu tun gehabt. Noch im Jahre 330, 18 Jahre nach seinem Sieg, ließ Konstantin in seiner neuen Residenz „Konstantinopel“ eine mehr als 30 Meter hohe Säule errichten, deren Sockel aus Heliopolis stammt, dem Zentrum des altägyptischen Sonnenkultes. Die Säule krönte ein vergoldetes Standbild von Konstantin im Strahlenkranz des Mithras, sie wurde mit Opfern und Gebeten, Kerzen und Weihrauch nach alten Bräuchen verehrt.

Der Kirchenhistoriker Laktanz deutete im Jahre 317 das Zeichen Konstantins als Ligatur aus Chi und Rho, d. h. zu einem Kürzel für Christus um, er problematisiert den „heidnischen“ Kult einer Anbringung magischer Zeichen auf den Waffen der Soldaten zur Beschwörung für das Kriegsglück nicht. Rolf Bergmeier hat darauf hingewiesen, dass weder das Kreuz noch das „PX“ im Jahre 312 Symbole des Christentums waren. Selbst wenn Konstantin solche Symbolik verwendet hätte - niemand hätte verstanden, was er damit aussagen will. Bergmeier hat zudem die Frage aufgeworfen, woher 50.000 Soldaten im Feldlager die Farbe bekommen haben sollen, um ihre Schilde entsprechend zu verschönern.

Der Bischof Eusebius von Caesarea wusste Mitte der 320er Jahre in seiner Vita Constantini dann von einer Vision zu berichten: Konstantin habe ein Kreuz aus Licht über der Sonne gesehen. Erst in der Nacht vor der Schlacht sei ihm Jesus Christus erschienen und habe die Verwendung des Zeichens als Schutz- und Siegeszeichen geradezu angewiesen. Seit der Mitte der 320er Jahre wurde dieses Zeichen im römischen Imperium verwendet. Eusebius schwärmte in seiner Trizennatsrede rückblickend: „Dem einen König auf Erden entspricht der eine Gott, der eine König im Himmel und der eine königliche Nomos und Logos.“ Die Botschaft war offenbar schon den Zeitgenossen klar: Dem christlichen Monotheismus entspricht der kaiserliche Imperialismus.

Im Jahre 325 berief der römische Kaiser das Konzil von Nicäa ein, für das er das seither gültige christliche Glaubensbekenntnis mit dem Bezug auf die „Dreieinigkeit“ formulierte (siehe den Nicäa-Text dazu).

Der Bischof von Jerusalem, Makarius, erzählte ihm von den Stätten der Passion Christi. Konstantin wollte das Grab Jesu freigelegen und eine Basilika errichten lassen. Konstantins Mutter Helena, im Unterschied zu Konstantin eine getaufte Christin und mittlerweile „Mitkaiserin“, beaufsichtigte die Arbeiten. Kirchenhistoriker des 4. und 5. Jahrhunderts schildern, Helena habe nach dem Versteck des Kreuzes gesucht und sei nicht weit von der Schädelstätte auf drei Hölzer, die Tafel mit der Inschrift und drei oder vier Nägel gestoßen. Auch die Reliquien der Heiligen Drei Könige hat sie der Legende nach gefunden. Helena wird auch von der katholischen Kirche als „Heilige“ verehrt.

Der römische Kaiser Konstantins verbreitete in seiner Regegierungszeit das Kreuz als Symbol seiner Macht. Der Bischof Athanasios „der Große“, Bischof von Alexandria am Ende des 3. Jahrhunderts und Anhänger des Kaisers im Kampf gegen die Arianer, formulierte: „Wer also das Bild anbetet, betet in ihm auch den König an; denn seine Züge und seine Gestalt sind das Bild.“  Bischof Severian von Gabala  erklärte rund 100 Jahre später die Funktion der Bildnisse: Der Kaiser kann nicht bei allen Personen anwesend sein, daher ist es notwendig, seine Statue in Gerichtssälen, auf Marktplätzen, in öffentlichen Versammlungsstätten und im Theater aufzustellen – überall dort, wo ein Statthalter handelt, muss das Kaiserbild präsent sein …“

Römische Kaisermünze 4 Jh

ChiRho auf römischer Kaiser-Münze aus dem 4. Jahrhundert

Konstantin befreite die katholischen Kleriker 315 von Steuern aller Art, ernannte ihre Bischöfe zu staatlichen Richtern und führte ein Erbrecht zugunsten der Kirche ein. Er ließ Kirchen auf Kosten des Staates bauen, unter anderem die Peterskirche, er schenkte der Kirche den Lateranhügel in Rom, wo die Päpste dann für 1.000 Jahre ihren Sitz hatten.

Erst im Jahr 431 wurde das Kreuz offiziell von der Kirche als christliches Symbol eingeführt. Bis heute verwenden die christlichen Kirchen das Zeichen dieses Kaisers als ihr zentrales Symbol. „Das christliche Verehrungsbild entstand in Anlehnung an das Repräsentationsbild des Kaisers“, schreibt der Historiker Horst Bredekamp zusammenfassend. Das gilt insbesondere auch für die Verwendung des konstantinischen Siegeszeichens. Die christliche Kirche feiert in Konstantin ihren Aufstieg zur Staatsreligion – und erzählt die Geschichte typischerweise als Geschichte ihres Sieges.

In der orthodoxen, der armenischen und der koptischen Kirche wird Konstantin sogar bis heute als „Heiliger" verehrt.
Die katholische Kirche begnügt sich mit Konstantins Mutter, der heiligen (Mitkaiserin) Helena.
Im Namenskalender der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) ist der Name „Konstantin“ am 21. Mai zu seinen Ehren aufgeführt.

 

    siehe u.a. die Texte:
    Die Instrumentalisierung der Kirche für die kaiserliche Staatsmacht - Konstantin
    Wie Europa christlich wurde - Christentum