Klaus Wolschner                     Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

www.medien-gesellschaft.de


III
Medien
-Theorie

Wie wir wahrnehmen,
was wir sehen”

2 AS Cover

ISBN 978-3-7418-5475-0
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Über die
Mediengeschichte der
Schriftkultur und ihre
Bedeutung für die
menschliche
Wirklichkeits-Konstruktion
im  Jahrhundert des Auges

2 VR Titel

ISBN 978-3-7375-8922-2
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Über religiöse Körpergefühle und die kommunikative Kraft
der großen Götter von Christentum, Islam und Moderne

2 GG Titel

ISBN 978-3-746756-36-3
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Gottesbild  Sixtinische Kapelle Michelangelo
Das berühmteste christliche Gottesbild beherbergt der Vatikan – Michelgelos Gemälde von der Schaffung Adams
am himmlischen Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle: Gott mit wallendem Haar und Bart im Schlafrock,
Adam erotisch lasziv, nackt. Obwohl es in der Bibel heißt: „Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen noch eine Gestalt wie irgend etwas, was oben in den Himmeln oder was unten auf der Erde oder was in den Wassern unter der Erde ist. Du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen noch dich verleiten lassen, ihnen zu dienen..." (2. Mose 20:4-5)

Gottes-Bilder

Monotheistische Gottes-Bilder und das Gottesbildnis-Verbot in der Geschichte

2016

Ein Beispiel für die kulturgeschichtliche Wandlung von mentalen Bildern sind Gottes-Bildnisse. Das Bedürfnis, sich Gottes-Bildnisse zu machen, zeigt sich überall in der menschlichen Kulturgeschichte. Gottes-Bilder ikonisieren Vorstellungen, Gefühle, Assoziationen. Mit ihnen integrieren Menschen je nach Zeit und Kultur ihre Schmerzen und ihre Ängste in ein insgesamt doch lebenswertes Gesamtbild. In der jüdisch-christlichen Tradition werden ritualisierte Geschichten von den grauenvollen Strafen des eifersüchtigen Gottes und von der Rettung  erzählt - der gottgewollte Sinn, der dem zugrunde liegt, ist letztlich „höher ist als alle Vernunft“, erklärt also Unerklärliches. Die Menschen machen sich Gottesbilder, um Antworten auf unbeantwortbare Fragen zu „konfabulieren“. Das befreit aus Situationen, in denen eigentlich niemand verantwortlich gemacht werden kann - verantwortlich ist ein „Gott“.

Gott war weiblich

In frühen Kulturen war Gott auch weiblich – und damit versinnbildlichten diese Kulturen ihre Auseinandersetzung mit der Fruchtbarkeit und der Sexualität. Nach dem ältesten überlieferten Schöpfungs-Mythos, dem babylonischen Atraasis-Epos, war es selbstverständlich die Muttergöttin Ninursanga, die den Menschen schuf;  sie ist als Göttin der Liebe auch zuständig für die Vermehrung der Erdenwesen. Die sexuelle Zuneigung der Menschen ist Teil der Schöpfung: In den altorientalischen Kulturen wurden die Haare der Frau als erotische Attraktion inszeniert und geschätzt. „Dein Haar ist schwarz wie eine Herde von Ziegen, die vom Gileadgebirge herabstürmt“, heißt es in einem in den Kanon des Alten Testaments aufgenommenen Hochzeitslied („Lied der Lieder” Salomons). 

Frauenfigur MesopotamienLinks:Orontes
Die betonte Scham, der doppelte Halsschmuck
und die auch nach hinten ausladende, kunstvoll arrangierte Frisur fallen bei dieser Frauenfigur aus dem frühen Mesopotamien auf (rd. 2.500 v.u.Z.)
Diese sehr verbreiteten Kultbilder waren Fetische
für die Göttinnen-Verehrung  und wurden vermutlich für magische Praktiken verwendet
.

Rechts:
Eine bis auf Gürtel, Halskette und
Blume auf der Stirn nackte Frau
 aus Terrakotta – 13 Zentimeter hoch,
ein Kultbild aus der Zeit
um 2.000-1.600  v.u.Z.,  gefunden im syrisch-palästinensischen Orontes-Tal.
Der Nabel ersetzt die Scham, die Löcher in der aufwändigen Frisur dienten offenbar der Befestigung von Schmuck.

(Abbilder aus Othmar Keel,
Gott weiblich - Eine verborgene Seite des
biblischen Gottes, 2008)


Die Fruchtbarkeitsgöttin Aschera wurde als Gattin des Gottes Jahwe verehrt. Sogar im Tempel von Jerusalem stand offenbar eine Statue der Aschera – im zweiten Buch der Könige wird berichtete, das König Joschija (im Jahre 622 v.u.Z.) es samt den Dienerinnen der Göttin aus dem Tempel warf. Aschera, auch als Partnerin Baals im Volk verehrt, war offenbar in der Volksreligiosität als Gespielin und Partnerin übertragen worden auf Jahwe.

Aschera
In Judäa wurde bei Ausgrabungen eine große Anzahl von Figuren einer weiblichen Gottheit mit stark betonten Brüsten gefunden – offenbar stand sie in jedem zweiten Haus, bemerkt der Historiker und Theologe Othmar Keel. Im Alten Testament ist rund vierzig Mal von Aschera in polemischer Absicht die Rede – die schriftgelehrten Autoren der alttestamentarischen Texte bekämpften den populären Kult der Göttin und suchten das Weibliche und Erotische aus dem Gottesdienst zu verbannen.

Aschera war eine Fruchtbarkeitsgöttin, sagt die amerikanische Orientologin Judith M. Hadley, und vermutet ihren Ursprung in der syrischen Steppe: Dort wurde Aratum verehrt, sie war die Gefährtin des Gottes Amurru.

Religionsreformer um Josia wollten den bis zum 7. Jahrhundert legitimen Kult der Göttin in Misskredit bringen – deswegen werden in judäischen Texten Baal und Aschera gemeinsam verdammt, schreibt Hadley. Die hebräischen Eliten wollten nach ihrer Rückkehr aus dem babylonischen Exil durchsetzen, dass es – offiziell jedenfalls – „keine Götter neben“ ihrem Jahwe um Hilfe gebeten werden durften.
 

Aschera-Figurine,
Jerusalem, 7. Jh. v.u.Z.
15 Zentimeter hoch

 

Der Gott Israels nach dem Vorbild des assyrischen Despoten

Bei den altorientalischen Göttern herrschten gewöhnlich „wie auf Erden“ die Cliquen. Die Götterwelt wurde nach dem Vorbild der streitsüchtigen Menschenwelt imaginiert. Wie konnte da die Idee eines einzigen, allmächtigen Gottes entstehen? In den Texten der Bibel wird die Machtfülle des assyrischen Herrschers immer wieder furchterregend und bewundernd beschrieben, der im Jahre 722 das Nordreiches Israel zerstört und die Eliten verschleppt hat. dem Eindruck, dass die Götter der Assyrer stärker sein könnten als die Israels, konnten die Priester im Südreich Juda nur entgehen, wenn sie das Zerstörungswert als Strafe ihres Gottes erklärten. Damit wird die Katastrophe erklärt und gleichzeitig der assyrische König dem eigenen Gott untergeordnet: Natürlich muss der eigene Gott noch größer, noch mächtiger sein. Das jüdische Gottesbild formte sich im babylonischen Exil an dem des altorientalischen Despoten. Die Israeliten mussten sich im 7. Jahrhundert dazu verpflichten, keinen anderen Herrn als dem assyrischen Großkönig, sie mussten versprechen, ihn zu lieben wie sich selbst – dies sind die formelhaften Vorbilder für die Ansprüche, die der eigene Gott  stellt, so erklären Schaik/Michel die monotheistische Gottes-Kreation.

Das jüdische Bilderverbot …

D
as religiöse Bildnisverbot der jüdischen, dann christlichen und islamischen Geschichte gehört zu den verwunderlichen Phänomenen der Kulturgeschichte, weil es so sehr dem allzumenschlichen Bedürfnis, sich allgemeine Dinge sinnbildlich vorzustellen, widerspricht. „Du sollst dir keine Gottes-Statue machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“, heißt es im 2. Buch Moses (Exodus 20,2–17). „Lauft nicht in euer Verderben und macht euch kein Gottesbildnis, das irgendetwas darstellt, keine Statue, kein Abbild eines männlichen oder weiblichen Wesens, kein Abbild irgendeines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgendeines gefiederten Vogels, der am Himmel fliegt, kein Abbild irgendeines Tiers, das am Boden kriecht, und kein Abbild irgendeines Meerestieres im Wasser unter der Erde. Wenn du die Augen zum Himmel erhebst und das ganze Himmelsheer siehst, die Sonne, den Mond und die Sterne, dann lass dich nicht verführen! Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen.“ (5. Buch Mose, Deuteronomium 4,15-19)  Und der eifersüchtige Jahwe will, dass seien Anhänger militant gegen die Fetische vorgehen: „Reißt ihre Altäre nieder, zerschlagt ihre Steinmale, haut ihre geweihten Pfähle um und verbrennt ihre Götzenbilder“. (5. Mose, Kapitel 7) Als Verhalten gegenüber militärisch besiegten Stämmen war das vollkommen normal und kaum erwähnenswert – die Aufforderung erhält ihre Brisanz dadurch, dass die Priester-Elite so die volkstümlichen Kulte der eigenen Anhänger diskreditieren wollte.

Und so finden sich neben dem Bildnisverbot immer wieder Hinweise auf solche Kulte, sogar Moses ließ die Bundeslade mit zwei Cherubim verzieren.

In seiner Abhandlung Der Mann Moses und die monotheistische Religion interpretierte Sigmund Freud 1939 die Bedeutung des bild- und namenlosen einen Gottes so:

    „Wir vermuten, dass Moses in diesem Punkt die Strenge der Atonreligion überboten hat... sein Gott hatte dann weder einen Namen noch ein Angesicht, vielleicht war es eine neue Vorkehrung gegen magische Missbräuche. Aber wenn man dieses Verbot annahm, musste es eine tiefgreifende Wirkung ausüben. Denn es bedeutete eine Zurücksetzung der sinnlichen Wahrnehmung gegen eine abstrakt zu nennende Vorstellung, einen Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, streng genommen einen Triebverzicht mit seinen psychologisch notwendigen Folgen. [...] Es war gewiss eine der wichtigsten Etappen auf dem Wege der Menschwerdung.“ 

Der Geschichte über den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten gilt allerdings unter Historikern als Legende – der reine Nachahmungseffekt könnte zudem eine derart weitreichende kulturelle Innovation wie die des Bildnisverbotes nicht erklären.

Es gibt (bei Schaik/Michel) eine plausiblere Erklärung, die auf die konkrete Geschichte Israels Bezug nimmt: Man darf davon ausgehen, dass im Tempel in Jerusalem während der Königszeit die Götter wohnten wie in jedem Gotteshaus – in Gestalt ihrer Statuen. Als im Jahre 587 die Babylonier das Königreich Juda vernichteten, zerstörten sie auch den Tempel – und vornehmlich die Götterstatuen. Damit bewiesen antike Eroberer gewöhnlich die Überlegenheit ihrer Streitmacht und ihrer Götter. Die Jahwe-Elite im babylonischen Exil, wo die Texte des Bibel-Kanons entstanden, zogen eine andere Schlussfolgerung daraus: Statuen-Kult war immer nur Götzenkult, der allmächtige Gott braucht keine Statue, er ist unzerstörbar, unsichtbar, transzendent.
Dieses abstrakte Gottesbild entsprach zudem der philosophischen Rationalität der gebildeten Eliten der Achsenzeit, für die Gottesidee abstrakter wurde und nur noch sprachlich erfahrbar sein sollte – als „logos“, würden die Griechen sagen. Die Verehrung von Götzen und die Projekten magischer Kräfte auf Fetisch-Figuren gehörte dagegen zu den archaischen religiösen Bedürfnissen des einfachen, ungebildeten Volkes. Die jüdische Priesterschaft, die im Exil die mit ihren Schriften die „Jahwe-allein-Bewegung“ begründete, sicherte sich über die Polemik gegen Götzenbilder zudem das Monopol auf die Beziehung zur göttlichen Sphäre. Das strikte Bildnisverbot bedeutete gleichzeitig eine Machtprobe mit den Verehrungsbedürfnissen des Volkes – und wurde daher selten konsequent durchgesetzt.  (vgl. dazu auch Jan Assmann über die Erfindung der monotheistischen Schrift-Religion,  Link)

Dass die Durchsetzung einer solchen Idee eines abstrakten Gottes an die abstrakte Schrift gebunden ist, macht auch die jüdische Erzählung deutlich, nach der erst die Wiederentdeckung der (verloren gegangenen) Schrifttafeln diesen Gott wirkmächtig machte. Typischerweise mussten diese Worte in Stein gemeißelt, also auf Ewigkeit materialisiert sein, die Schrifttafeln (und ihre spätere Abschrift als Buch) werden im Kult zum Ersatz für die populären bildlichen Gottesdarstellungen.

… und die platonische Philosophie

Offenbar artikuliert sich im Bildnis-Verbot eine Lust am abstrakten Denken, das in der „Achsenzeit“ auch in der platonischen Philosophie zum Ausdruck kam. Noch für die Gedankenwelt des Hesiod (um 700 v.u.Z.) galt: Die Natur war eine Sphäre des Wirkens der Götter, Naturkunde war schauendes Erleben des Göttlichen. Erkennen ist sinnliches Erkennen, das Sichtbare ist gleichzeitig das Magisch-Unsichtbare, es gibt keine Aufspaltung in einen „gläubigen“ Blick und einen „profanen“.  
Die klassischen griechischen Erzählungen berichten dann aber fasziniert von der Figur des blinden „Sehers“ Teiresias, für den gerade der Verlust des Augenlichtes die Voraussetzung für das „Schauen“ der Wahrheit wurde. Seher sehen das Unsichtbare – die Wahrheit. Das Erkennen der Wahrheit löst sich von dem Erkennen des Sichtbaren ab: Nur wer sich nicht durch den Augenschein täuschen lässt, kann einen Zugang zur Wahrheit finden. 
Empedokles (ca. 495-435) bestand darauf, dass Gott ein erhabener Geist sein müsse, nicht erfassbar mit dem, was man sehen kann, sondern unfassbar, abstrakt – vollkommen wie eine Kugel, glücklich, unbewegt. Wahrheit liegt für ihn in den Ideen, also in etwas, was das Auge nicht sehen kann. Die Philosophen verbieten sich selbst die Bilder als Erkenntnisquelle. 
Dieses abstrahierende Denken konstruiert Worte wie Kunstwerke für etwas, was keine fassbare Realität hat, hantiert mit symbolischen Begriffen, mit Wortfetischen, die nur mit Hilfe des Mediums Schrift eine Existenz bekommen. Dieses abstrahierende Denken entsteht nicht mit der überkommenen Bilderschrift, sondern braucht die neue alphabetische Schrift, die das prokanaanitiche Alphabet mit seinen 27 Zeichen genauso zur Verfügung stellte wie das auf die phönizische Bilderschrift zurückgehende griechische Alphabet. Die „Wortkunst“ (Fritz Mauthner) des abstrahierende Denken wurde in der Achsenzeit zum Kennzeichen und symbolischen Herrschaftsmittel von religiösen und politischen Eliten, sie wurde gleichzeitig aber auch zum Charakteristikum der griechischen Philosophie, die sich als argumentative Kultur entwickelte und so die Grundlagen des modernen Denkens schuf.  (vgl. dazu Jan Assmanns Überlegungen zu der griechischen
Disziplinierung des Denkens, Link)

Im Sinne dieser Lust am Abstrakten und an der Suche nach Wahrheit im Abstrahieren machte sich zum Beispiel der Gelehrte und Schriftsteller 
Xenophanes (ca. 570-470) über den volkstümlichen griechischen Götterkult lustig:

    „Wenn aber die Rinder und Pferde und Löwen Hände hätten und mit diesen Händen malen könnten und Bildwerke wie Menschen schüfen, so würden die Pferde die Götter abbilden und malen in der Gestalt von Pferden, die Rinder in der Gestalt von Rindern, und sie würden solche Statuen meißeln, ihrer eigenen Körpergestalt entsprechend.“ Den Bildnissen stellte Xenophanes die Idee eines höchsten, wahren Gottes gegenüber: „Ein einziger Gott ist unter Göttern und Menschen der Größte, weder dein Körper noch der Einsicht nach den sterblichen Menschen gleich. (...) Immer verbleibt er am selben Ort, ohne irgendwelche Bewegung, denn es geziemt sich für ihn nicht, bald hierhin, bald dorthin zu gehen, um seine Ziele zu erreichen, sondern ohne Anstrengung des Geistes lenkt er alles mit seinem Bewusstsein.“ Für Xenophanes, der bis zum Jahre 470 in Elea (in der Nähe des heutigen Neapel) lebte und lehrte, gab es einen einzigartigen, abstrakten Gott, den man sich nicht menschenähnlich vorstellen durfte.

Auch für Platon rund 100 Jahre später ist „Gott“ der Inbegriff des Wahren und Guten, das sich den Menschen weder durch Erscheinungen noch durch Zeichen erkennbar macht. Und weil Gott die Idee des Guten verkörpert, ist er für das Böse nicht verantwortlich: „Das Gute darf man auf keine andere Ursache zurückführen, von dem Bösen aber muss man andere Ursachen aufsuchen, nur nicht Gott“, formulierte Platon in seiner Schrift über den Staat. Platon setzte diese Idee gegen die homerische Götterwelt ab. Gegen diese leidenschaftlichen Wesen, die lieben, hassen, kämpfen, betrügen und töten können – nach dem Ebenbild der Menschen - setzte Platon eine abstrakte Idee Gottes: „Offenbar also ist Gott einfach und wahr in Wort und Tat und verwandelt weder sich selbst noch hintergeht er andere, weder in Erscheinungen noch in Reden noch indem er ihnen Zeichen sendet, weder im Wachen noch im Schlaf.“

Der neuplatonische Autor Lamblichos beschreibt diese innige Verbindung von Philosophie als abstrakter Theologie im 3. Jahrhundert in seiner Schrift über Pythagoras:

    „Am Anfang jedes Philosophierens pflegen doch wohl zumindest alle Besonnenen einen Gott anzurufen; ganz besonders ist dies bei derjenigen Philosophie  angebracht, die, wie man glaubt, mit Recht den Namen des göttlichen Pythagoras trägt.“ Pythagoras habe „das Weltall im Ganzen“ betrachtet, um „die Ordnung, nach der sich darin die Gestirne bewegen, zu erkennen“. Diese Ordnung ist schön und ihre Schönheit lässt die Menschen an jenem Wesen, das nur im (abstrakten) Denken erreichbar ist, Anteil haben.

    Natürlich rechnete die Philosophie jener Zeit zwanglos mit weiteren Göttern, die aber niederer Gestalt waren.

Bild- und Wortzauber in der christlichen Kirchengeschichte

Der abstrakte Gottesbegriff war immer die Sache einer kleinen Elite von Schrift-Gelehrten. Die große Schar der Religionsanhänger ist in der menschelnden Geschichte nie ohne Bild- und Wortzauber ausgekommen. Die Kirchen machen größere oder kleinere Kompromisse für die Kult-Bedürfnisse ihrer Gemeinden. Auch das frühe Christentum hatte seine Mühe mit der Tradition, die ganz selbstverständlich das Weibliche und Erotische mit dem Göttlichen verband. Der griechisch denkende Prediger Paulus hatte offenbar Anlass für eine strenge Ansage:  Gnadenstuhl
„Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch gleich die Haare abschneiden lassen“, polterte er in seinem 1. Brief an die Korinther (11,6).
Das galt als das Zeichen für Prostituierte.

Die Geschichte des gelebten Christentums ist voll von verehrungswürdigen Heiligen und entfaltete auf dem Weg zur Volks-Religion einem Kult der Anbetung der Maria als „Mutter Gottes”. Von der antiken Idee der „Auferstehung des Fleisches“ mag sich die katholische Kirche bis heute nicht trennen, sie hält an der Idee einer „Verwandlung“ von Brot und Wein in Blut und Fleisch fest. Die populärsten christlichen Figuren heute sind der Weihnachtsmann und der Osterhase.

Aber auch im Kern der theologischen Botschaft reicht der abstrakte Gottesbegriff nicht für die menschlichen Religiositätsbedürfnisse. So konnte sich die frühe Christen-Gemeinde nur mit der Idee vom großen (archaischen) Menschenopfer des Gottessohnes von den verbreiteten Opferkulten distanzieren, die Geschichte vom Opfer-Tod bot einen abstrakten Ersatz für die konkreten Tier-Opfer.
Die Staatsreligionen - Judentum, Christentum, Islam – haben sich gegenüber dem religiösen Zauber immer ambivalent verhalten. Sie präsentieren selbst mit historischer Flexibilität ein großes Angebot mythischer Glaubens-Angebote, sie dulden jeweils populäre Überzeugungen und Praktiken und sie verfolgen gleichzeitig einzelne Elemente des religiösen Bild- und Wortzaubers mit der geballten Staatsgewalt. Die Akte des Tötens wegen religiöser Abweichung sind dabei meist selektiv und willkürlich, sie dienen machtpolitischen Interessen oder der Herstellung klerikaler Autorität.

Gnadenstuhl: Gott Vater, der seinen Sohn opfert,  
 Mitte des 14. Jahrhunderts
 
 

Der strafende christliche Gott 

In der Tradition der irdischen Despoten malte die mittelalterliche christliche Kirche lange Jahrhunderte das Bild eines vor allem strafenden, Angst machenden Vaters, der als Richter verantwortlich war für die Aufsicht über die Sünden, der den Blitz schickte und mit Hilfe der Höllenängste regierte – gegen die Macht des Teufels, der die Menschen immer wieder verfielen. Der Kirchenvater Augustinus steigerte die Sündhaftigkeit noch einmal zu einer Erbsünde, der niemand entrinnen kann. Die Menschen beteten zu diesem Gott, weil sie ihn offenbar als Sinnbild der Grausamkeiten ihres Lebens brauchten. Daneben brauchten sie aber ihre Heiligen und hielten sich an Maria, die sympathische Gnadenbringende. In der Marienverehrung lebte das Göttlich-Weibliche wieder auf - und fort. In der Volksfrömmigkeit des Mittelalters gibt es wieder den ganzen Hofstaat des Götterhimmels und jede Art von anbetungswürdigen Heiligen-Figuren. Die mit Bedeutung aufgeladenen Heiligen-Fetische geben den Gottesvorstellungen eine Gestalt.

Als die Götter freundlicher wurden

In der europäischen Neuzeit wurden die Gottesbilder freundlicher. Für die Krankheiten gab es zunehmend profane Erklärungen, die Politik erklärte Machiavelli mit der Gier und dem Machtstreben der Menschen, am Ende war sogar der Blitz nicht mehr Gottesurteil, die Kirchen und später auch die Wohnhäuser bekamen Blitzableiter. Ludwig Feuerbach konnte im 19. Jahrhundert die Gottesbilder als Projektionen menschlicher Wünsche und Träume erklären, Sigmund Freud als Bildungen der menschlichen Psyche. Religion wurde zur Privatsache erklärt.

An dem tiefen Bedürfnis der Menschen, sich über religiöse mentale Bilder in ein das eigene Leben transzendierendes, Sinn stiftendes „Ganzes“ einzubringen, das man auch sehen, schmecken und ertasten kann, hat diese aufklärerische Kritik aber wenig geändert. Mythischer Bild- und Wortzauber gehört offenbar zur seelisch-geistigen Grundausstattung des Menschen. Die religiösen Grundmelodien bilden den lebendigen Hintergrund des Bewusstseins, in den einzelne Wahrnehmungen hinein interpretiert werden, - nicht die Lehren von Kirchenvätern, sondern die gelebten religiösen Empfindungen mit all ihren Fetischen, ihrem Bild- und Wortzauber.

Das islamische Bildnisverbot

In der vorislamischen - oralen - Kultur der Araber wurde vor allem die Dichtung hoch geschätzt, die eng verbunden war mit der Musik. Schrift war kalligrafisch verzierte Bilderschrift. Das muslimische Bilderverbot entstammt nicht dem Koran, dieser verbietet nur die Verehrung von Idolen: „Ihr Gläubigen! Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Greuel und des Satans Werk. Meidet es!“ (Sure 5,90). 
Im Alltag der Nomaden in der Gegend von Mekka und Medina gab es keine „Bilder” - sondern höchstens bedruckte Stoffe und Figuren aus Holz und Stein. Mohammeds Problem war nicht die bildliche Darstellung an sich, sondern die Praxis der Statuen-Verehrung der Stammeskulte - ganz im Sinne der jüdischen Tradition. Eine Gottheit „Allah“ hatte es dabei schon in vorislamischer Zeit gegeben, sein Pendant war die Göttin „Allat" gewesen. Mohammed ließ nach seiner Eroberung Mekkas im Jahre 630 rund 360 Statuen von Göttern, Idole aus altarabischer Zeit, zerstören, die in der Kaaba, der heiligen Stätte von Mekka, von ihren jeweiligen Anhängern verehrt worden waren. Und Mohammed ordnete an, dass alle Götterstatuen auch in Privathäusern vernichtet werden sollte. Die Zerstörungen führten die Machtlosigkeit dieser Götter vor Augen - Allah sei der einzige Gott, verkündete Mohammed. Erst seit der Zerstörung ist die Kaaba ein monotheistisches Heiligtum.

Im Koran gibt es mehrere Worte für kleine Statuen oder schlicht Steine, die verehrt wurden. Das Wort sura, das im Arabischen „Bild“ bedeutet, taucht im Koran nur ein einziges Mal auf – im Zusammenhang der Schöpfung durch Allah. Bildnisse, also Statuen, waren Götter neben dem einzigen Gott.

Der Kontext des ursprünglichen Bildnis-Verbotes wird in einer Geschichte deutlich, die in der islamischen Tradition schon früh erzählt wurde: Aischa, ein Mädchen, das neun Jahre alt war, als der Prophet es heiratete, durfte ihre Puppen als Kinderspielzeuge natürlich behalten. Aber als sie später Vorhänge aus einem Stoff mit Darstellungen von Lebewesen aufgehängte, sei der Prophet zornig geworden. Daraufhin machte Aischa Kissen aus den Vorhängen, wogegen der Prophet nichts einzuwenden hatte. Bildnisse, auf denen man sitze oder die man mit Füßen tritt, schienen also erlaubt – weil damit sichergestellt ist, dass man sie nicht anbetet.

Archäologische Funde belegen, dass die Paläste der Aristokratie, auch abseits der großen städtischen Zentren, mit bildlichen Darstellungen hervorragender Qualität ausgestattet waren. Bilder gab es durchaus auch als Repräsentationskunst im höfischen Bereich von Herrschern. Zur öffentlichen Repräsentationskunst gehört die Münzprägung - erst mit der Münzreform in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts setzt sich eine bilderfeindliche Haltung durch. In den Konflikten mit orthodoxen Muslimen wurden nicht nur Bilder der unterworfenen Völker, sondern auch muslimische Wandmalereien zerstört. So gibt es schon Berichte von der Zerstörung von Bildern unter dem Kalifen Yazid II. (720 - 724). Der junge Masud, später Sultan aus dem Hause der Ghaznawiden (1020 - 1041), soll in seinem Palast in Herat einen Pavillon mit erotischen Bildern nach Art der indischen Kamasutra dekoriert haben. Der strenge Vater Mahmud wollte die Bilder zerstören lassen - Masud ließ die Bilder übertünchen, bevor der Abgesandte seines Vaters eintraf.

Die allgemeine bilderfeindliche Haltung hat erst im 8. Jahrhundert ausgebildet  - zeitgleich mit dem Ikonoklasmus in Byzanz. Die Hadith-Tradition markiert den dogmatischen Endpunkt dieses Diskurses: Der erste schriftlich überlieferte Beleg gegen bildliche Darstellungen ist in der Hadith-Literatur im späten 8. Jahrhundert, im Muwatta des Malik ibn Anas (716-705) nachweisbar. Eindeutige Verurteilungen bildlicher Darstellungen finden wir bei Buehan (810 - 870): „Die Engel betreten keinen Tempel in dem Bilder, Glocken oder Hunde sind.“  Bildliche Darstellungen gelten als Schöpfungen, als Anmaßung, Hybris und weltliches Vergnügen. Bereits die frühesten Sakralbauten wie der Felsendom in Jerusalem und die Ommaiyaden-Moschee in Damaskus im 8. Jahrhundert waren ohne Bilder von Mensch oder Tier. Bildlos (anikonisch) waren auch die Illustrationen des Koran, der dann seine heute überlieferte Form bekam.

Das Bilderverbot im religiösen Bereich gilt gleichermaßen für den Islam der Araber, Perser, Türken, Mongolen, Inder und Berber. Die frühe islamische Kunst entwickelte sich unter dem Einfluss der unterworfenen byzantinischen und persischen Regionen.

Das allgemeine Bilderverbot war keineswegs immer und überall in der gleichen Strenge durchsetzbar. Auch im Erzählzyklus „Tausend und eine Nacht" finden sich Beschreibungen von Privaträumen, deren Wände mit griechischen Malereien verziert sind. Dass auch ganz andere Gedanken zu profanen Bildern in der arabischen Kultur denkbar waren, zeigt Abd Alla al-Ghuzuli in seinem 1299/1300 erschienenen Buch Matāli al-budūr. Darin heißt es: „In einem guten Bad findet man auch kunstvoll ausgeführte Bilder von unbestreitbarer Qualität. Sie stellen zum Beispiel Liebende und Geliebte, Auen und Gärten, Pferdejagden auf wilde Tiere dar. Dergleichen Bilder stärken alle Körperkräfte gewaltig, die tierischen, physischen und seelischen. (… ) Wenn es schwierig ist, schöne Formen (in Natur) zu finden, soll man schöne, kunstreich verfertigte Bilder betrachten, wie sie in Büchern, Tempeln oder vornehmen Schlössern gemalt sind. Auf diese Idee hat schon der Philosoph Muhammad ibn Zakarīyā ar-Rāzī hingewiesen und die Wirkung ihrer dauernden Anwendung betont bei Menschen, deren Seelen schlechte Gedanken und verderbliche Wahnvorstellungen beherbergen, die der Naturordnung zuwider sind. Er sagt: Wenn nämlich schöne Bilder außer ihrem Thema auch noch schöne, angenehme Farben - gelb, rot, grün, weiß - haben und die Formen in genau richtigen Verhältnissen dargestellt sind, heilen sie melancholische Säfte und beseitigen die der menschlichen Seele eigenen Sorgen wie auch die Umdüsterung der Geister. Denn die Seele verfeinert und veredelt sich durch die Betrachtung solcher Bilder.“ (zit. nach Franz Rosenthal, Das Fortleben der Antike im Islam, 1965)

Eine Ausnahme vom Bilderverbot gibt es nur für die Miniaturmalerei: Sie hat nicht nur das königliche Amüsement befriedigt, sondern wandte sich auch an ein breites Publikum. Dabei konnte das Verbot aus den Hadith umgangen werden, indem individuelle Gesichtszüge gemieden und die Darstellungen ohne Schattierung zweidimensional und schemenhaft oder stilisiert blieben. Der islamischen Kunst fehlt so die Individualität.

Schneekamel Kopie
Die über 1.000 Jahre alten Vorschriften werden heute insbesondere von Wahhabiten noch wörtlich genommen. Als im Januar 2015 im Norden von Saudi-Arabien für einige Stunden Schnee fiel, bauten faszinierte Saudis  - Kamele aus Schnee. Der Fernseh-Prediger Mohammad Saleh Al Minjed, Betreiber der Website islamqa.info, der sich 820.000 Fellowers bei Twitter rühmt, kommunizierte eine „Fatwa“ dagegen: Nur leblose Dinge wie Schiffe, Früchte und Gebäude dürften dargestellt werden. In Saudi-Arabien gibt es allerdings eine Ausnahme: Bilder der Königsfamilie dürfen verbreitet werden.

 

Meist wird  das radikale Bildnisverbot in der islamischen Kultur auf Gebetsräume und auf die Bildnisse Allahs und des Propheten Mohammed bezogen. Seine militante Durchsetzung nach außen verrät etwas von der für die Selbstdisziplinierung erforderlichen Energie - Aggressivität nach außen stabilisiert die innere Durchsetzung. Als Fetisch-Ersatz dient die Vorstellung von der „Heiligkeit des Buches“: Auch nach der Erfindung des Buchdruckes gilt es als Lästerung des abstrakten, unnahbaren Gottes, wenn arabische Nachdrucke seiner Worte verbrannt werden.

Auf elektronische Bilder wird die archaische Vorschrift des allgemeinen Bildnisverbotes nicht mehr übertragen, islamisches Fernsehen ist weitgehend unbestritten. Auch Löschung eines elektronisch dargestellten heiligen Textes ist kein Sakrileg.

Mythenzensur und Symbolkontrolle - das Bildnis-Verbot zwischen Verinnerlichung und Machtsicherung

Dass die Ideengeschichte des abstrakten allmächtigen Gottes historisch wirkmächtig werden konnte, liegt natürlich daran, dass kirchliche wie staatliche Machthaber ihre Macht gern monopolisieren. Während in den überlieferten Kulten jeder über „seine“ Götter in Form von Statuen oder Bildnissen und damit über konkret fassbare, begreif-bare religiösen Sinnbilder verfügen kann, hat bei einem abstrakten Gotteskult die Priesterkaste den Zugriff auf den legitimen Zugang zu dem einzigen Allmächtigen. Monotheistischen Religionen wohnt daher eine innere Seelenverwandtschaft zu zentralistischen Staaten inne, monotheistische Religionen konnten größere historische Erfolge immer dann feiern, wenn sie staatlichen Mächten zu Diensten waren.

In der Antike war es üblich, dass Götter-Bilder angebetet und um ihre Kraft zur Lösung allzumenschlicher Probleme angegangen wurden. Ohne Bildnis, so scheint es fast, keine Gottesidee. Das ändert sich radikal mit der jüdischen Tradition. Gott wird als der Unnahbare, Unsagbare, Unsichtbare vorgestellt. Es scheint geradezu eine „Programmatik des Geheimnisses“ (Martin Andree) zu sein, die hier Faszination produziert.

Die Beschäftigung mit dem Geheimnis des okkulten Gottes hat die Menschen Jahrtausende lang in seinen Bann gezogen. „Effiziente Geheimnisse erzeugen oft ungeheure Mengen solcher Deutungen, ohne dass sie selbst dabei verbraucht werden“. (Andree) Das Geheimnis inszeniert sich mit Redeverboten (der Name Gottes ist tabu), sichtbaren Schwellen (der Vorhang) und räumlichen Tabus – es gibt in Gotteshäusern eine den gewöhnlichen Sterblichen verbotene Zone des Heiligen. Das „Leitmedium“ des religiösen Geheimnisses ist die Schrift. Die Schrift wird zu dem Medium der Eingeweihten, es begründet die hierarchische Ordnung von Priestern und Gläubigen. Das Geheimnis befindet sich hinter dieser Schwelle, für die Gläubigen bleibt die Ehr-Furcht. 

In der christlichen Eucharistiefeier hat sich die antike Programmatik des Geheimnisses bis heute erhalten, lebendig konserviert durch den Wiederholungszwang des kultischen Rituals: Im Zentrum stehen Brot und Wein, diese fundamentalen Überlebensmittel, hinter denen, als Zeichen interpretiert, das Geheimnis steht – aber nur für die erkennbar, die staunend daran glauben. Als Zeichen erinnern Brot und Wein an das archaische Menschenopfer, mit dem Gott, indem er selbst seinen Sohn zum Opfer freigab, weitere Opfer überflüssig machte. Die Zeichen dieses Menschenopfers müssen verspeist werden, um die geheimnisvolle Verbindung zur Sphäre des Göttlichen zu schaffen, nicht ohne vorher eine wundersame Wandlung erfahren zu haben, die aus den Zeichen wahrhaftes Fleisch und Blut machen. Wie unverständlich dieses geheimnisvolle Ritual für Ungläubige sein muss, zeigen die seit der Antike erhobenen Vorwürfe des Kannibalismus gegen Christen. Die körperliche Verspeisung der Zeichen, bis ins Mittelalter eine verbreitete Technik, um sich das mit den Zeichen gemeinte einzuverleiben, schafft die Suggestion einer Kommunikation, die zur Kommunion wird.

Das Bildnisverbot verbietet die für alle instrumentell sichtbare und verfügbare Götterstatue und verengt damit den verfügbaren Zugang zu höchsten und allerletzten Weisheiten auf die professionelle Priesterkaste. Das ist der Preis, den Gläubige zahlen müssen, um sich auf die Ahnung einer verinnerlichten Verschmelzung mit dem Geheimnis konzentrieren zu können.

 

    Anm:  
    (1) Der Gedanke findet sich schon in  einem Zeitungs-Essay von Othmar Keel unter dem Titel „Monotheismus – ein göttlicher Makel“ in der NZZ vom 30./31.10.2004:
     „Am Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. brach das Assyrerreich zusammen. Es entstand ein Machtvakuum. Judäische Theologen hatten die originelle Idee, das Vakuum auszufüllen, indem sie die Forderungen, die der assyrische Großkönig gestellt hatte, vom Gott Israels, von Jahwe, ausgehen ließen. Damit haben sie das Machtvakuum gefüllt, damit haben sie Israel innerlich von allen Despoten unabhängig gemacht, dem Gott Israels aber gleichzeitig Eigenschaften eines Despoten härtester Sorte zugeschrieben. Man kann den zitierten Text als Beweis für die dem Monotheismus eigene Intoleranz, Aggressivität und Brutalität anfuhren. Man übersieht dabei aber, dass es sich nicht um einen monotheistischen Text handelt. Er rechnet mit anderen Göttern, die der exklusiven Bindung an den eigenen Gott gefährlich werden können. Der wirkliche Monotheismus geht von der Annahme aus, es gebe nur einen Gott, und Eifersucht hat da keine Grundlage."  

siehe u.a. auch die Texte zu

    Wie das Gehirn Wirklichkeit konstruiert: Gehirngespinste M-G-Link
    Gott im Kopf  M-G-Link
    Was ist Religion 
    M-G-Link
    Phonetische Schrift und griechisches Denken   
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    Israel und die Erfindung der monotheistischen Schrift-Religion (
    Auszug Jan Assmann)
    Zur kommunikativen Funktion von Schriftzeichen - Schrift-Magie, Bibel-Orakel - im christlichen Mittelalter
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    Kultbild-Verehrung in der Antike
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    Totenreich-Phantasien von Himmel und Hölle
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    Lit.:
    Martin Andree, Archäologie der Medienwirkung. Faszinationstypen von der Antike bis heute (2005)
    Jan Assmann
    , Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen (1999)
    Markus Groß/ Karl-Heinz Ohlig (Hg.), Die Entstehung einer Weltreligion.
       Von der koranischen Bewegung zum Frühislam (2010)
    Karl Kaser, Andere Blicke. Religion und visuelle Kulturen auf dem Balkan und im Nahen Osten (2013) 
    Othmar Keel, Gott weiblich - Eine verborgene Seite des biblischen Gottes (2008)
    Judith M. Hadley, The Cult of Asherah in Ancient Israel and Judah: Evidence for a Hebrew Goddess (2000)
    Carel van Schaik/Kai Michel, Das Tagebuch der Menschheit, Was die Bibel über unsere Evolution verrät (2016)