Klaus Wolschner                     Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

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Nicäa - Wie Jesus Gott „wesensgleich" wurde

9-2012

Für die Synode von Nicäa (325), die das bis heute gültige trinitarische Bekenntnis an den “dreieinigen Gott - Vater, Sohn und Heiligen Geist” - beschließen sollte, hat der römische Kaiser Konstantin das Einladungsschreiben formuliert. Er lud die Bischöfe in  den  kaiserlichen Palast zu Nicäa ein. Nach der gescheiterten Synode von Antiochien (Anfang 325) wollte Konstantin durch persönliche Anwesenheit höheren Nachdruck zugunsten eines  Einigungsprozesses in der Ariusfrage ausüben. Faktisch hatte er den  Vorsitz des Konzils von Nicäa inne. Konstantin bestimmte ganz selbstverständlich die Tagesordnung der Bischofssynode. Bischof Silvester von Rom war 325 nicht nach Nicäa gekommen.

Die „Arianer“, etwa zwanzig Bischöfe unter der Führung des einflussreichen Eusebius von Nikomedia, des späteren Patriarchen von Konstantinopel, vertraten die Auffassung, die wohl von der Mehrheit der christlichen Gemeinden geteilt wurde, dass Jesus „gottähnlich“ sei, vom Vater gesandt und eben nicht “gottgleich”.

Eusebius von Caesareas Lobrede De vita Constantini erlaubt einen Einblick in das Prozedere auf der Synode und in die Selbstdarstellung des Kaisers: Der Kaiser eröffnete die Synode, er hielt feierlich Einzug, er äußerte sich in seiner Eröffnungsansprache zu den Segnungen seines militärischen Sieges über Licinius, der ihn zum Alleinherrscher über das gesamte Reich gemacht hat, und er schwor die anwesenden Bischöfe auf das Ziel auch der kultischen und dogmatischen Einheit und der Eintracht unter den Christen ein, um die es auf der Synode gehen sollte.

Ein Jahr zuvor soll Konstantin noch den Streit zwischen Alexander und Arius als eine inner-alexandrinische Angelegenheit bezeichnet haben, der „unsinnig und einer solchen Streitsucht nicht wert" sei, die Differenzen seien „klein und ziemlich geringfügig". Er wollte den Streit, der innerhalb der Kirche für großen Unfrieden sorgte, irgendwie beseitigen. Die Wesensgleichheit verschiedener Götter war in der griechischen Kultur nichts Besonderes: Mithra war mit Sol Invictus wesenseins, der  Sonnengott Sol wiederum entsprach Helios und Jupiter, und nun gesellte sich Christus dazu.

Kaiser Konstantin, „Vater des ‚byzantinischen Jahrtausends'“

Kirchenhistoriker gehen einhellig davon aus, dass die Mehrheit der Bischöfe nicht von dem Ergebnis der Synode überzeugt waren und dass sie die Glaubenserklärung von Nicäa mit dem Lehrsatz, dass Jesus „wesensgleich“ mit Gott sei (homo-ousios), nur unter Druck akzeptierten. Die dominierende Rolle des Kaisers zeigte sich auch bei der  Durchsetzung der Beschlüsse ging. In einem Schreiben an die alexandrinische Gemeinde teilte der Kaiser mit, die in Nicäa getroffene Entscheidung müsse nunmehr als Gottes Wille angenommen werden. 

Eusebius von Nikomedia und Theognis von Nicäa unterschrieben das Bekenntnis, jedoch ohne den Zusatz der Verdammung der Arianer, sie wurden dafür abgesetzt und für eine Zeit verbannt. Eusebius von Caesarea unterschrieb erst nach einem Tag Bedenkzeit und verteidigte seine Unterschrift in einem Brief an sein Bistum. Darin benannte er den Wunsch des Kaisers als entscheidendes Argument. Er verweist zur Rechtfertigung seines Umschwenkens auf die Autorität des „gottgeliebtesten" und „weisesten und frömmsten Kaisers". Der Kaiser selbst sei es gewesen, der das homo-ouios in den Text einfügt habe.  Er hatte vorher Arius in der Zeit seiner ersten Verbannung bei sich aufgenommen.
Nur zwei ägyptische Bischöfe, Theonas und Secundus weigerten sich konsequent zu unterschreiben und wurden mit Arius nach Illyrien verbannt. Die Bücher von Arius wurden verbrannt, der Besitz seiner Schriften unter Todesstrafe gestellt, und seine Anhänger als Feinde der Christenheit bezeichnet – dies ist der erste Fall in der christlichen Kirchengeschichte, in dem eine abweichende Meinung nicht bloß als Vergehen gegen die Kirche, sondern auch als Vergehen gegen den Staat angesehen wurde. Nach Abschluss des Konzils lud Konstantin die Bischöfe zu einem fürstlichen Festmahl ein. Eusebius ist völlig beeindruckt: „Man hätte wähnen können, es sei alles nur Traum und nicht Wirklichkeit."

Trotz des kaiserlichen Machtwortes blieben die christlichen Gemeinden durch den arianischen Streit gespalten. Eine Reihe der Unterzeichner widerrief später. Beispielsweise schrieb der Arianer Eusebius von Nikomedia in einem Brief an den Kaiser: „Wir handelten sündig, o Fürst, als wir aus Furcht vor Euch einer Blasphemie zustimmten.“ Auf einer Reihe von Synoden wurden bis 383 immer wieder Kompromissvorschläge gemacht, die jedoch alle verworfen wurden. Auch die wechselseitigen Versuche, mit Machtmitteln des Staates oder der Bischöfe für die eine oder andere Partei eine Entscheidung zu erzwingen, schlugen fehl. In einer höchst komplexen theologischen Debatte wurde immer wieder neu interpretiert, was das bedeuten sollte, was 325 beschlossen worden war. Mit rund sechzig Erlassen hatte Kaiser Theodosius in seiner Regierungszeit (379-395) das trinitarische Christentum definiert, erweitert sie um den „Heiligen Geist“. Mit dem Erlass Cunctos populos 380 wurde das so definierte Christentum zur Staatskirche erklärt und für alle römischen Bürger verbindliche Glaubenssache.
Aus dem persönlichen Bekenntnis, das der historische Jesus abverlangt hatte, ist die Unterwerfung unter rituelle Kultus-Vorschriften geworden, wie sie in der hellenischen Kultur üblich war.
Konstantin wurde so zum „Vater des ‚byzantinischen Jahrtausends'“ (Jörg Ulrich). In der Ostkirche wird er bis heute als Heiliger verehrt.

Das nizänische Bekenntnis und der katholische Glaube

Wie bewertet der gläubige Katholik und renommierte Religionshistoriker Franz Dünzl die Geschichte des „trinitarischen Dogmas in der alten Kirche“? Ist das Ergebnis des „mühevollen Ringens um das christliche Gottesbild“ bis ins vierte Jahrhundert nur Menschenwerk oder „geschichtlich vermittelte Offenbarung Gottes“?
„Die Rede von den Hypostasen der Gottheit“ müsse für die meisten Christen heute unverständlich bleiben, räumt Dünzl ein, eben weil man modern an „Personen“ denke.
Auch vor dem auf Plato zurückgehenden „Konzept des Logos als vermittelnder Instanz zwischen Transzendenz und Kosmos“ würden wir Heutige „staunend und ratlos“ stehen.
„Wie weit reicht der zeitbedingte Einfluss der antiken (und das heißt paganen) Philosophie auf die christliche Trinitätsslehre und wie ist er theologisch zu bewerten?“ fragt Dünzl. Und er erinnert an „die Einmischung der Politik in die theologische Debatte“ der Alten Kirche: Der Kompromiss Konstantins in Nizäa, dann sein wiederum arianisch denkender Sohn Konstantius II, schließlich der „nizänisch“ orientierte Theodosius:  „Stellt der neunizänische Glaube … nur eine Variante in Kräftespiel der theologischen Ideen dar - eben jene Variante, die sich aus politischen Gründen durchsetzen konnte?“

„Der Blick in die Geschichte ernüchtert“, fasst Dünzl zusammen, wegen der „Fragwürdigkeiten der Kirchenpolitik“ und der „Zeitbedingtheit der Offenbarungsurkunden“. Soweit der Verstand.

Und der Glaube vernebelt die menschliche Vernunft

„Nicht das für sich genommene Detail“, schließt Dünzl mit einer großen Kehrtwende, „sondern das Ganze der Geschichte (mitsamt ihren Brüchen und Verwerfungen) ist auf den einen Gott zurückzuführen – in Wahrheit ein Abenteuer des Glaubens, das sich nicht auf sichere Gewissheit, sondern nur auf Hoffnung gründen kann.“ Gott sei eben „unauslotbar“ für die menschliche Vernunft, das „zeigt die Grenzen menschlicher ‚Gottes’-Bilder“ auf.“

 

    Literatur-Tipps:
    Jörg Ulrich:
    Konstantin Konstantin der Große und die Frage nach den Vätern des Konzils von Nizäa, in: Arnold (Hg), Väter der Kirche  (Paderborn 2004) 
    Rudolf Leeb:  Konstantin und Christus - Die Verchristlichung der imperialen Repräsentation unter Konstantin dem Großen als Spiegel seiner Kirchenpolitik und seines Selbstverständnisses als christlicher Kaiser (1992)
    Rolf Bergmeier:  Das Konzil von Nicäa (325) und Konstantin der Große - Wie Jesus zum Gott wurde (Forschungsarbeit, 2011)
    Franz Dünzl: Kleine Geschichte des trinitarischen Dogmas in der Alten Kirche (Herder-Verlag 2006)