Klaus Wolschner                    Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft

Über den Autor

www.medien-gesellschaft.de


III
Medien
-Theorie

Wie wir wahrnehmen,
was wir sehen”

2 AS Cover

ISBN 978-3-7418-5475-0
im Buchhandel oder
beim Autor
 
klaus(at)wolschner.de

Über die Mediengeschichte der Schriftkultur und ihre
Bedeutung für die
menschliche
Wirklichkeits-Konstruktion
im  Jahrhundert des Auges

2 VR Titel

ISBN 978-3-7375-8922-2
im Buchhandel
oder beim Autor 
klaus(at)wolschner.de

Über religiöse Körpergefühle und die kommunikative Kraft
der großen Götter von Christentum, Islam und Moderne

2 GG Titel

ISBN 978-3-746756-36-3
im Buchhandel
oder direkt beim Autor
  klaus(at)wolschner.de

POP 55

Über traditionelle
Herrschafts-Kommunikation
und neue Formen der
Medien-Demokratie:
Wenn der Pöbel
online kommt
ISBN: 978-3-752948-72-1
Über den Buchhandel oder direkt beim Autor 
klaus(at)wolschner.de

 

Illustrierte Mediennutzung

2020

Die Liste der auflagenstärksten „Illustrierten“ gibt einen Hinweis auf die Nutzer-Motive: Mit 13 Millionen steht die ADAC-Zeitung „Motorwelt“ vorn, es folgen kostenlose Gesundheitsblätter wie „Apotheken-Umschau“ (9 Millionen) oder „Bleibgesund“ und die Fernsehzeitschriften (ab 22 Millionen). Die Mitgliederzeitschriften von IM Metall und Verdi liegen auch bei zwei Millionen Auflage. Auch die Senioren-Blätter liegen vorn in der Tabelle. Im weiteren Feld der ersten 100 Titel landet  (2019) der Spiegel mit gut 700.000 Exemplaren und der Stern (unter 500.000).
Betrachtet man nur die wirklich verkauften Titel, so liegen die reinen Fernseh-Programmzeitungen vorn. Auf über eine Million kommt immerhin die illustrierten-ähnliche BILD-Zeitung. Zum Vergleich: Alle überregionalen deutschen Tageszeitungen zusammen kommen (2019) nicht auf 700.000 Exemplare.

Was macht die Illustrierten so attraktiv? Natürlich enthalten Illustrierte auch „nützliche“ Informationen, insbesondere die Ratgeber- und TV-Illustrierten. Aber vor allem leisten illustrierte Zeitschriften einen  Beitrag zum Identitätsmanagement.
Medien helfen der Phantasie, sich in schönere, reizvollere Welten zu versetzen. Das ist das Erfolgsrezept der „Landlust“, gegründet 2005, die innerhalb weniger Jahre zur auflagenstärksten Illustrierten aufstieg. Die LeserInnen der Landlust möchten vom Landleben träumen. Das Blatt bietet risikoloses „Probehandeln“ für ein besseres Leben, Kompensation für Alltags-Frust. Das virtuelle Medien-Erleben führt die Phantasie in Situationen, in denen man sich noch nie befunden hat (oder auch nie befinden möchte). Sogar die Kochrezepte dienen nur ausnahmsweise als praktische Hilfe, meist sind es Phantasiereisen für die LeserInnen.

„Leute“ ist eine wichtige Rubrik aller Zeitschriften. Am liebsten erfahren Menschen etwas über das Glück oder Unglück anderer. Das macht neugierig, es kann in einer traurigen Stimmung ablenken, eine gute Stimmung verstärken, es dient der Orientierung und Selbstbewertung: Wo stehe ich im Vergleich zu anderen? Welche Rolle spiele ich, welche wird mir zugeschrieben? Das mediale Rollenspiel gibt Hilfestellung bei der Deutung und Bewertung der eigenen Situation in Orientierung an der Gruppe.

Die Leserinnen-Forschung der Zeitschriften unterscheidet man bestimmte „Typen“, deren Lese-Motive natürlich bei jedem konkreten Menschen in Mischung vorkommen: Zeitschriften sollen „gute Freundinnen“ sein. Man bzf „frau“ verbringt damit schöne Stunden der Freizeit, das Blättern in der besten Freundin dient der Befriedigung von Identitätsbedürfnissen. Es gibt „Elle“ für die perfekte Frau, „Brigitte“ für die reife Frau. GQ“ steht für „Gentlemen's Quarterly“ und verspricht Einblicke in den „Lebensstil für Männer mit Anspruch“. Schöner Wohnen“ liefert schöne Bilder.
Natürlich gibt es auch das Elite-Magazin – man zeigt sich gern damit in der U-Bahn oder vor Kollegen und Bekannten. Die „Zeit“ unter dem Arm macht etwas her, auch Spiegel-Leser sind etwas Besonderes, die FAZ machte sich den Effekt in ihrer Werbung für die klugen Köpfe zunutze. Mehr noch gilt das für teure exklusive Illustrierte. 
Eine besondere Gruppe der Illustrierten wird als der „peinliche Freund“ bezeichnet. Man zeigt sich ungern damit, genießt sie ganz heimlich und privat. Dazu gehört zum Beispiel der „
Playboy“.

Mediale Erlebnisse helfen bei der Sinndeutung in der eigenen Lebenswelt. Sie helfen, im sozialen Raum eigenen Lebensstil zu finden oder zu bestätigen. Für den Alltag hat die reine „Information“ der Illustrierten meist keine Bedeutung.

Medien sind ein Fenster zur Welt der Wirklichkeitsbilder.

Die Nachricht, dass ein Mensch 1961 seinen Fuß auf den Mond gesetzt hat, hat als sachliche Nachricht aber für die meisten Menschen keine Bedeutung. Was Bedeutung für alle hat, ist das emotionale Mit-Erleben eines Triumphes menschlicher Technik-Beherrschung. Die Bilder von der Mondlandung waren eine Sensation.

Das Thema hat dabei eine lange Phantasie-Geschichte. Schon 1609 schrieb Johannes Kepler sein Buch „Traum oder: Mond-Astronomie", eine Traumerzählung über eine Reise zum Mond auf der Basis der neuen astronomischen Kenntnisse. 1638 schrieb ein Gründungsmitglied der Royal Society, John Wilkins, einen Roman über die Wahrscheinlichkeit, dass der Mond bewohnbar sei. Bekannter ist Jules Vernes Reise zum Mond von 1865. Einer der frühen Stummfilme hatte die Mondreise zum Thema, 1928/29 drehte Fritz Lang (nach einer Romanvorlage) den Science-Fiction-Stummfilm  „Frau im Mond“.

Viel wichtiger als die Fakten sind die phantastischen Sub-Texte der Nachrichten. Sie sind das Fenster zum eigenen emotionalen Erleben – und ein Instrument, das emotionales Erleben gesellschaftlich normt. Gerade zur Beschreibung von Emotionen werden narrative Muster benutzt. Ohne Emotionen gibt es keine Wertmaßstäbe. Moralische Sätze gelten generell - in der fiktionalen Welt wie in der echten. Die erzählten und medial konsumierten Geschichten stellen Interpretation zur Verfügung, mit denen Umstände, Handlungsmotive und Rahmenbedingungen bewertet werden können. 

Erzählungen bilden einen wesentlichen Bestandteil dieser Kommunikationsumwelt. Sie transportieren Sinngebungs-Regeln, die die Denk- und Sprechweise prägen und damit Verhalten und Handlungen steuern. Eine Erzählung transportiert ein Bündel von Ideen, die die Wirklichkeitswahrnehmung einer Gruppe strukturieren. Sie geben tradierten sozialen Konventionen und typischen Verhaltensweisen eine Bedeutung. Erzählungen müssen nicht nachprüfbar Wahrheit enthalten, aber sie müssen „plausibel“ klingen. Erzählungen liefern Erklärungen für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kultur, der man angehört. Sie dienen der Legitimierung der Institutionen einer Gesellschaft. Erzählungen sind von Natur aus symbolisch: Was sie symbolisieren, kann sowohl imaginär als auch wirklich sein. Sie werden mit Hilfe aller verfügbaren Mittel kommunikativ weitergegeben: über Rituale, Unterricht, Kleidung, Religion, Witze, Spiele, Mythen, Gesten, Unterhaltung. Und eben auch über Medien. 

Über den Prozess der Kommunikation konstruieren Menschen ein Vorstellungsbild der Wirklichkeit in ihren Köpfen. Das Bewusstsein der sozialen Wirklichkeit ist das Ergebnis von Kommunikation. Medien kommunizieren Übungsmaterial für kognitive Prozesse, prägen damit die gesellschaftliche „Wissensordnung” und Weltwahrnehmung. Die Macht der Kommunikation ist ein Streit-Thema im Großen (Propaganda) - wie im Kleinen. Menschen haben immer schon einen großen Wert darauf gelegt, wunderbare Geschichten von dem zu unterscheiden, was Lügner und Betrüger zu erzählen haben. Die Unterscheidung ist dabei geleitet von dem, was man sehen und glauben will (und kann). 

Für den kommerziellen Erfolg von Illustrierten sind natürlich auch ganz pragmatische Gesichtspunkte wichtig, vor allem der zeitliche und finanzieller Spielraum der angesprochenen Käufer in der medialen Konkurrenz. Gegenüber dem Allzeit- und Allerorts-Medium Smartphone haben die Illustrierten einen schlechten Stand. Konkurrenzlos was den Preis angeht und die Nutzungsmöglichkeit (etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln und während der Arbeitszeit).

Was haben Illustrierte, was das Smartphone nicht hat? Vor allem die Ästhetik und die Haptik, die Qualität der Fotos auf Hochglanzpapier. Gerade weil das Smartphone überall ist und gewöhnlich, können abonnierte Hefte helfen, eben etwas Besonderes am Wochenende bieten. Die Tageszeitungen versuchen (mit relativem Erfolg), diesen Effekt für ihre „Wochenend“-Produkte zu nutzen. „Bild am Sonntag“, „Welt am Sonntag“ und „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ liegen in der verkauften Auflage über der Millionen-Grenzen und damit deutlich höher als bei ihren Tages-Ausgaben, auch ohne die „Zeit“ mit ihren 400.000 Exemplaren.

 

    siehe auch meine Texte
    Illustrierte Welt   MG-Link
    Zu den illustrierten Flugblättern der Neuzeit   MG-Link
    Bild gegen Schrift?
    Wortfetischismus und die Klagen der Schriftkultur über die Macht der Bilder MG-Link

    Kraft der Bilder  MG-Link
    Geschichte des Sehens  MG-Link 
    Das Sehen der Moderne MG-Link
     

    Volkskalender  - frühe Massenmedien des €žInfotainments€  MG-Link
    Illustrierte Welt
    - Die neuen Medien des späten 19. Jahrhunderts  
    MG-Link
    Illustrirte Zeitung - die erste deutsche Illustrierte MG-Link
    Illustrirte Zeitung - zum Erscheinen der 1000sten Ausgabe 1862 beschrieb das Blatt seinen Arbeitsalltag  Link
    Zu dem Marketing-Genie des 19. Jahrhunderts Ernst Litfaß  MG-Link

    Visuelle Kultur und Islam MG-Link